160 Die bleibenden Prinzipien der Soziallehre der Kirche341 bilden die wahren und eigentlichen Angelpunkte der katholischen Soziallehre: Es handelt sich um das Prinzip der Würde der menschlichen Person – von dem im vorangegangenen Kapitel bereits die Rede war –, das die Grundlage jedes anderen Prinzips und Inhalts der Soziallehre darstellt,342 des Gemeinwohls,der Subsidiarität und der Solidarität. Diese Prinzipien, die die ganze mit Hilfe der Vernunft und des Glaubens erkannte Wahrheit über den Menschen zum Ausdruck bringen, entspringen „aus der Begegnung der Botschaft des Evangeliums und ihrer Forderungen, wie sie im Hauptgebot der Gottesund Nächstenliebe und der Gerechtigkeit zusammengefasst sind, mit den Problemen, die sich aus dem Leben der Gesellschaft ergeben“.343 In dem Bemühen, konsequent auf die Erfordernisse der Zeiten und die beständigen Entwicklungen des gesellschaftlichen Lebens einzugehen, hat die Kirche diese Prinzipien nach und nach herausgearbeitet und ihnen so im Lauf der Geschichte und im Licht des Geistes durch kluges Nachdenken über die eigene Glaubensüberlieferung eine immer klarere Grundlage und Gestalt geben können.
161 Diese Prinzipien haben einen allgemeinen und grundlegenden Charakter, weil sie sich auf die gesellschaftliche Wirklichkeit in ihrer Gesamtheit beziehen: von den durch Nähe und Unmittelbarkeit gekennzeichneten zwischenmenschlichen Beziehungen bis hin zu jenen, die von der Politik, der Wirtschaft und der Rechtsordnung vermittelt sind; von den Beziehungen zwischen Gemeinschaften oder Gruppen bis hin zu den Beziehungen zwischen Völkern und Nationen. Aufgrund ihrer zeitlichen Dauer und universalen Bedeutung sieht die Kirche in ihnen das erste und grundlegende Bezugssystem für die Interpretation und Bewertung der gesellschaftlichen Erscheinungen, das notwendig ist, weil man in ihm zu Kriterien der Einschätzung und Orientierung für alle Bereiche des sozialen Handelns gelangen kann.
162 Die Prinzipien der Soziallehre müssen in ihrer Einheitlichkeit, in ihrem Zusammenhang und in ihrem Ineinandergreifen betrachtet werden. Diese Forderung wurzelt in der Bedeutung, die die Kirche selbst ihrer eigenen Soziallehre als einem „Corpus“ der Lehre beimisst, das die sozialen Wirklichkeiten organisch interpretiert.344 Die Aufmerksamkeit für jedes einzelne Prinzip in seiner Besonderheit darf nicht zu seiner nur teilweisen und verfehlten Anwendung führen, zu der es immer dann kommt, wenn man sich so auf es beruft, als ob es von allen anderen getrennt und losgelöst wäre. Die theoretische Vertiefung und die Anwendung auch nur eines einzelnen der sozialen Prinzipien lassen ihre wechselseitigen, einander ergänzenden und miteinander vernetzten Strukturen klar zutage treten. Diese grundlegenden Angelpunkte der kirchlichen Lehre sind überdies weit mehr als ein dauerhaftes Erbe an Ideen, sie sind wesentlicher Bestandteil der christlichen Botschaft, weil sie allen die möglichen Wege zu einem guten, wirklich erneuerten gesellschaftlichen Leben aufzeigen.345
163 Die Prinzipien der Soziallehre bilden in ihrer Gesamtheit jene erste Formulierung der Wahrheit über die Gesellschaft, die jedes Gewissen dazu aufruft und einlädt, in Freiheit und voller Mitverantwortlichkeit mit allen und für alle zu handeln. Denn der Mensch kann sich der Frage nach der Wahrheit und der Bedeutung des gesellschaftlichen Lebens nicht entziehen, da die Gesellschaft keine Realität ist, die außerhalb seiner eigenen Existenz liegt. Diese Prinzipien haben eine zutiefst moralische Bedeutung, weil sie auf die letzten und Richtung gebenden Grundlagen des sozialen Lebens verweisen. Um sie voll und ganz zu verstehen, muss man sein Handeln nach ihnen ausrichten und dem Weg der von ihnen aufgezeigten Entwicklung hin zu einem menschenwürdigen Leben folgen. Die den großen sozialen Prinzipien innewohnende moralische Forderung betrifft sowohl das persönliche Handeln der einzelnen, insofern sie die unersetzbaren Träger der Verantwortung auf jeder Ebene sind, als auch zugleich die Institutionen, die durch Gesetze, gewohnheitsmäßige Normen und zivile Strukturen repräsentiert werden, weil diese die Fähigkeit haben, die Entscheidungen vieler über lange Zeiträume hinweg zu beeinflussen und darauf einzuwirken. Die Prinzipien erinnern nämlich daran, dass die historisch bestehende Gesellschaft aus den sich ineinander verflechtenden Freiheiten aller Personen entsteht, die in ihr handeln und durch ihre Entscheidungen zu ihrer Entfaltung oder Verarmung beitragen.
II. DAS PRINZIP DES GEMEINWOHLS
a) Bedeutung und hauptsächliche Implikationen
164 Aus der Würde, Einheit und Gleichheit aller Personen ergibt sich vor allem das Prinzip des Gemeinwohls, auf das sich jeder Aspekt des sozialen Lebens beziehen muss, um zur Fülle seiner Bedeutung zu gelangen. Einer ersten und weithin anerkannten Definition zufolge versteht man unter Gemeinwohl „die Gesamtheit jener Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens, die sowohl den Gruppen als auch deren einzelnen Gliedern ein volleres und leichteres Erreichen der eigenen Vollendung ermöglichen“.346 Das Gemeinwohl besteht nicht in der einfachen Summe der Einzelgüter eines jeden Subjekts im sozialen Gefüge. Als Wohl aller und jedes Einzelnen ist und bleibt es gemeinsam, weil es unteilbar ist und nur gemeinsam erreicht, gesteigert und auch im Hinblick auf die Zukunft bewahrt werden kann. Wie sich das moralische Handeln des Einzelnen darin erfüllt, das Gute zu tun, erfüllt sich das gesellschaftliche Handeln in der Verwirklichung des Gemeinwohls. Denn das Gemeinwohl kann als die soziale und gemeinschaftliche Dimension des moralisch Guten verstanden werden. 165 Eine Gesellschaft, die auf allen Ebenen bewusst im Dienst des Menschen bleiben will, setzt sich das Gemeinwohl als Wohl aller Menschen und des ganzen Menschen als vorrangiges Ziel.347 Die Person kann nicht nur in sich selbst Erfüllung finden und damit die Tatsache übergehen, dass sie in ihrem Sein wesentlich „mit“ den anderen und „für“ die anderen besteht. Diese Wahrheit drängt sie nicht nur dazu, auf den verschiedenen Ebenen der Gesellschaft und der Beziehungen mit anderen zusammenzuleben, sondern unermüdlich in praktischer und nicht bloß idealer Form das Gute oder die Bedeutung und die Wahrheit anzustreben, die in den bestehenden Ausprägungen des gesellschaftlichen Lebens liegen. Keine Ausprägung der Gesellschaftlichkeit – von der Familie über die soziale Zwischengruppe, den Verband, das Wirtschaftsunternehmen, die Stadt, die Region, den Staat bis hin zur Gemeinschaft der Völker und Nationen – kann der Frage nach dem eigenen Gemeinwohl aus dem Weg gehen, die wesentlich für ihre Bedeutung und eine echte Daseinsberechtigung für ihr Bestehen ist.348
b) Die Verantwortung aller für das Gemeinwohl
166 Die Forderungen des Gemeinwohls ergeben sich aus den sozialen Bedingungen einer jeden Epoche und sind eng mit der Achtung und umfassenden Förderung der Person und ihrer grundlegenden Rechte verbunden.349 Diese Forderungen betreffen vor allem das Engagement für den Frieden, die Organisation der staatlichen Macht, eine stabile Rechtsordnung, den Umweltschutz, die Gewährleistung jener grundlegenden Dienste an der Person, die zum Teil mit den Menschenrechten identisch sind: Ernährung, Wohnung, Arbeit, Erziehung und Zugang zur Bildung, Verkehrsmittel, Gesundheit, freier Austausch von Informationen und Schutz der Religionsfreiheit.350 Dabei darf auch der Beitrag nicht vergessen werden, den jede Nation zu einer echten internationalen Zusammenarbeit im Hinblick auf das Gemeinwohl der gesamten Menschheit und auch der künftigen Generationen leisten muss.351
167 Das Gemeinwohl verpflichtet alle Mitglieder der Gesellschaft: Niemand ist davon ausgenommen, je nach seinen Fähigkeiten an seiner Verwirklichung und Entfaltung mitzuarbeiten.352 Dem Gemeinwohl muss in umfassender Weise gedient werden: nicht unter dem eingeschränkten Blickwinkel von Teilvorteilen, die daraus gezogen werden können, sondern auf der Grundlage einer Logik, die auf eine denkbar breite Übernahme von Verantwortung abzielt. Das Gemeinwohl ist ein Ergebnis der erhabensten Neigungen des Menschen,353 doch es ist ein schwer erreichbares Gut, weil es die Fähigkeit voraussetzt, beständig nach dem Wohl des anderen zu streben, so als ob es das eigene wäre. Ebenso haben alle das Recht, aus den Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens Nutzen zu ziehen, die sich aus dem Streben nach dem Gemeinwohl ergeben. Die Lehre Pius’ XI. wirkt noch heute aktuell: „Im Ergebnis muss die Verteilung der geschaffenen Güter, die heute durch den ungeheuren Gegensatz von wenigen Überreichen und einer unübersehbaren Masse von Eigentumslosen aufs schwerste gestört ist – keiner, der das Herz am rechten Fleck hat, kann sich darüber einer Täuschung hingeben –, wieder mit den Normen des Gemeinwohls und der sozialen Gerechtigkeit in Übereinstimmung gebracht werden“.354
c) Die Aufgaben der politischen Gemeinschaft
168 Die Verantwortung für das Gemeinwohl kommt nicht nur den einzelnen Personen, sondern auch dem Staat zu, weil das Gemeinwohl die Daseinsberechtigung der politischen Autorität ist.355 Der Staat nämlich muss den Zusammenhalt, die Einheitlichkeit und die Organisation der zivilen Gesellschaft, deren Ausdruck er ist,356 dergestalt garantieren, dass das Gemeinwohl durch die Mitwirkung aller Bürger erreicht werden kann. Der einzelne Mensch, die Familien, die mittleren Körperschaften sind nicht in der Lage, aus eigener Kraft zu ihrer vollen Entfaltung zu gelangen; daraus folgt die Notwendigkeit politischer Institutionen, deren Zweck darin besteht, die – materiellen, kulturellen, moralischen, spirituellen – Güter den Personen zugänglich zu machen, die erforderlich sind, um ein wahrhaft menschliches Leben zu führen. Das Ziel des gesellschaftlichen Lebens ist das historisch realisierbare Gemeinwohl.357
169 Um das Gemeinwohl zu gewährleisten, hat die Regierung eines jeden Landes die spezifische Aufgabe, die Interessen der unterschiedlichen Bereiche auf gerechte Weise miteinander in Einklang zu bringen.358 Die richtige Vermittlung zwischen dem besonderen Wohl von Gruppen und Individuen ist eine der schwierigsten Aufgaben der öffentlichen Macht. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass in einem demokratischen Staat, in dem die Entscheidungen in der Regel von einer Mehrheit der Vertreter des Volkswillens getroffen werden, die Träger der Regierungsverantwortung verpflichtet sind, das Gemeinwohl ihres Landes nicht nur nach den Maßgaben der Mehrheit, sondern unter dem Blickwinkel des tatsächlichen Wohls aller Mitglieder der Zivilgemeinschaft, also auch der Minderheiten, zu interpretieren.
170 Das Gemeinwohl der Gesellschaft ist kein Selbstzweck; sein Wert besteht in seiner Bedeutung für die Verwirklichung der letzten Ziele der Person und des universalen Gemeinwohls der gesamten Schöpfung. Gott ist das letzte Ziel seiner Geschöpfe, und das Gemeinwohl darf unter keinen Umständen seiner transzendenten Dimension beraubt werden, die die historische übersteigt und zugleich vollendet.359 Diese Perspektive erreicht die Fülle ihrer Bedeutung durch den Glauben an das Pascha Jesu, das die volle Wahrheit über die Verwirklichung des Gemeinwohls der Menschheit offenbart. Unsere Geschichte – das persönliche und gemeinsame Bemühen, die menschliche Situation zu verbessern – beginnt und gipfelt in Jesus: Dank seiner, durch ihn und auf ihn hin kann jede Realität einschließlich der menschlichen Gesellschaft zu ihrem höchsten Gut und zu ihrer Erfüllung gebracht werden. Eine rein historische und materialistische Sichtweise würde das Gemeinwohl auf einen bloßen sozioökonomischen Wohlstand reduzieren und ihm damit jede transzendente Zielsetzung, das heißt also letztlich seine Daseinsberechtigung nehmen.
III. DIE ALLGEMEINE BESTIMMUNG DER GÜTER
a) Ursprung und Bedeutung
171 Unter den vielfältigen Aspekten des Gemeinwohls kommt dem Prinzip der allgemeinen Bestimmung der Güter unmittelbare Bedeutung zu: „Gott hat die Erde mit allem, was sie enthält, zum Nutzen aller Menschen und Völker bestimmt; darum müssen diese geschaffenen Güter in einem billigen Verhältnis allen zustatten kommen; dabei hat die Gerechtigkeit die Führung, Hand in Hand geht mit ihr die Liebe“.360 Dieses Prinzip beruht auf der Tatsache, dass „der erste Ursprung alles Guten (…) Gottes Handeln selbst [ist], der die Welt und den Menschen geschaffen und dem Menschen die Erde übergeben hat, damit er sie sich durch seine Arbeit unterwerfe und ihre Früchte genieße (vgl. Gen 1, 28–29). Gott hat die Erde dem ganzen Menschengeschlecht geschenkt, ohne jemanden auszuschließen oder zu bevorzugen, auf dass sie alle seine Mitglieder ernähre. Hier liegt die Wurzel der universalen Bestimmung der Güter der Erde. Sie ist auf Grund ihrer Fruchtbarkeit und Fähigkeit, die Bedürfnisse des Menschen zu erfüllen, die erste Gabe Gottes für den Lebensunterhalt des Menschen“.361 Denn die Person kann nicht auf die materiellen Güter verzichten, die ihren vorrangigen Bedürfnissen entsprechen und die Grundlagen ihrer Existenz darstellen; diese Güter sind absolut unverzichtbar, damit sie sich ernähren und wachsen, kommunizieren, sich mit anderen zusammenschließen und das höchste Ziel, zu dem sie berufen ist, erreichen kann.362
172 Das Prinzip der allgemeinen Bestimmung der Erdengüter liegt dem allgemeinen Recht auf den Gebrauch dieser Güter zugrunde. Jeder Mensch muss die Möglichkeit zur Nutznießung des zu seiner vollen Entwicklung notwendigen Wohlstands haben: Das Prinzip der gemeinsamen Nutznießung der Güter ist das „Grundprinzip der ganzen sozialethischen Ordnung“363 und „das kennzeichnende Prinzip der christlichen Soziallehre“.364 Aus diesem Grund hat die Kirche es als ihre Pflicht betrachtet, sein Wesen und seine Kennzeichen näher zu bestimmen. Es handelt sich vor allem um ein natürliches Recht, das in der Natur des Menschen liegt, und nicht um ein bloß positives, an die historische Zufälligkeit gebundenes Recht; außerdem ist dieses Recht „naturgegeben“.365 Es ist jeder einzelnen Person zu Eigen, und es ist vorrangig in Bezug auf jegliches Eingreifen des Menschen hinsichtlich der Güter, auf jegliche rechtliche Reglementierung derselben, auf jegliches System und jegliche Methode wirtschaftlicher und sozialer Art: „Alle anderen Rechte, ganz gleich welche, auch das des Eigentums und des freien Tausches, sind diesem Grundgesetz untergeordnet. Sie dürfen seine Verwirklichung nicht erschweren, sondern müssen sie im Gegenteil erleichtern. Es ist eine ernste und dringende soziale Aufgabe, alle diese Rechte zu ihrem ursprünglichen Sinn zurückzuführen“.366
173 Die konkrete Anwendung des Prinzips der allgemeinen Bestimmung der Güter auf die je unterschiedlichen kulturellen und sozialen Kontexte setzt eine genaue Definition der Arten, der Grenzen und der Gegenstände voraus. Allgemeine Bestimmung und Nutznießung bedeuten nicht, dass alles jedem oder allen oder dass jedem oder allen dasselbe zur Verfügung stehen soll. Wenn es zutrifft, dass alle mit dem Recht auf die Nutznießung der Güter geboren werden, dann trifft es auch zu, dass im Hinblick auf eine gerechte und geordnete Ausübung dieses Rechts Regelungen auf der Basis nationaler und internationaler Übereinkünfte vonnöten sind sowie eine Rechtsordnung, die diese Ausübung festlegt und spezifiziert. Das Prinzip von der allgemeinen Bestimmung der Güter ruft dazu auf, die Wirtschaftsauffassung an moralischen Werten zu inspirieren, die es ermöglichen, weder den Ursprung noch das Ziel dieser Güter jemals aus den Augen zu verlieren, damit eine ausgewogene und solidarische Welt verwirklicht wird,in der die Bildung von Reichtum eine positive Rolle spielen kann. Denn die Wertigkeit des Reichtums in der Vielfalt der Formen, die er annehmen kann, besteht darin, dass er das Ergebnis eines produktiven Prozesses der technisch-ökonomischen Umsetzung verfügbarer natürlicher und abgeleiteter Ressourcen ist, der von Erfindungsreichtum, Planungsfähigkeit und menschlicher Arbeit gelenkt und als nützliches Mittel eingesetzt wird, um den Wohlstand der Menschen und der Völker zu steigern und ihrer Ausgrenzung und Ausbeutung entgegenzuwirken.
175 Die allgemeine Bestimmung der Güter setzt eine gemeinsame Anstrengung voraus, um für jede Person und für alle Völker die für ihre umfassende Entwicklung notwendigen Bedingungen zu schaffen, sodass alle an einer menschlicheren Welt mitarbeiten können, „wo jeder geben und empfangen kann, und wo der Fortschritt der einen kein Hindernis für die Entwicklung der anderen noch ein Vorwand zu deren Beherrschung ist“.367 Dieses Prinzip entspricht dem Appell, den das Evangelium immer und immer wieder an die Personen und Gesellschaften aller Epochen richtet, denn diese sind den Versuchungen der Habgier beständig ausgesetzt, denen auch der Herr Jesus selbst nicht aus dem Weg gegangen ist (vgl. Mk 1, 12–13; Mt 4, 1–11; Lk 4, 1–13), weil er uns zeigen wollte, wie wir sie mit seiner Gnade überwinden können.
b) Allgemeine Bestimmung der Güter und Privateigentum
176 Durch die Arbeit und den Einsatz seiner Intelligenz gelingt es dem Menschen, die Erde zu beherrschen und sie zu seiner würdigen Wohnstätte zu machen:„Auf diese Weise macht er sich einen Teil der Erde zu eigen, den er sich durch Arbeit erworben hat. Hier liegt der Ursprung des Privateigentums“.368 Das Pri- vateigentum und die anderen Formen von privatem Güterbesitz „vermitteln den unbedingt nötigen Raum für eigenverantwortliche Gestaltung des persönlichen Lebens jedes Einzelnen und seiner Familie; sie müssen als eine Art Verlängerung der menschlichen Freiheit betrachtet werden; auch spornen sie an zur Übernahme von Aufgaben und Verantwortung; damit zählen sie zu den Voraussetzungen staatsbürgerlicher Freiheit“.369 Das Privateigentum ist wesentlicher Bestandteil einer wirklich sozialen und demokratischen Wirtschaftspolitik und Garantie für eine gerechte Gesellschaftsordnung. Die Soziallehre fordert, dass der Besitz der Güter für alle gleichermaßen zugänglich sein soll,370 sodass alle zumindest in gewissem Maße zu Eigentümern werden, und schließt den Rückgriff auf Formen einer „Gemeinschaft der Güter“ aus.371
177 Die christliche Überlieferung hat das Recht auf privates Eigentum nie als absolut und unantastbar verstanden: „Ganz im Gegenteil, sie hat es immer im größeren Rahmen des gemeinsamen Rechtes aller auf die Nutzung der Güter der Schöpfung insgesamt gesehen: das Recht auf Privateigentum als dem gemeinsamen Recht auf Nutznießung untergeordnet, als untergeordnet der Bestimmung der Güter für alle.“372 Das Prinzip der allgemeinen Bestimmung der Güter bestätigt sowohl die vollkommene und ewige Herrschaft Gottes über jede Realität als auch die Forderung, dass die Güter der Schöpfung in ihrer Bestimmung auf die Entwicklung des ganzen Menschen und der gesamten Menschheit ausgerichtet bleiben sollen.373 Dieses Prinzip steht nicht im Widerspruch zum Recht auf Eigentum,374 aber es zeigt die Notwendigkeit, dieses zu regeln. Das Privateigentum ist nämlich, unabhängig davon, wie die konkreten Formen der darauf bezogenen Regeln und rechtlichen Normen auch beschaffen sein mögen, seinem Wesen nach nur ein Instrument im Hinblick auf die Einhaltung des Prinzips von der allgemeinen Bestimmung der Güter und damit letztlich kein Zweck, sondern ein Mittel.375
178 Die Soziallehre der Kirche ruft dazu auf, die soziale Funktion jeglicher Form von Privatbesitz anzuerkennen,376 und bezieht sich dabei unmissverständlich auf die unumgänglichen Forderungen des Gemeinwohls.377 Der Mensch soll „die äußeren Dinge, die er rechtmäßig besitzt, nicht nur als ihm persönlich zu Eigen, sondern (…) zugleich auch als Gemeingut ansehen in dem Sinn, dass sie nicht ihm allein, sondern auch anderen von Nutzen sein können“.378 Die allgemeine Bestimmung der Güter bringt im Hinblick auf ihren Gebrauch durch die rechtmäßigen Eigentümer Einschränkungen mit sich. Die einzelne Person darf nicht handeln, ohne die Folgen des Gebrauchs ihrer eigenen Ressourcen zu bedenken, sondern muss über den persönlichen und familiären Nutzen hinaus auch das Gemeinwohl im Auge haben. Daraus ergibt sich die Pflicht von Seiten der Eigentümer, die Güter, die sie besitzen, nicht ungenutzt ruhen zu lassen, sondern sie für die produktive Tätigkeit zu bestimmen und sie auch denjenigen anzuvertrauen, die den Wunsch und die Fähigkeit haben, sie dem Produktionsprozess zuzuführen.
179 Die gegenwärtige historische Epoche stellt der Gesellschaft neue Güter zur Verfügung, die noch bis vor kurzem völlig unbekannt waren, und macht es damit notwendig, das Prinzip von der allgemeinen Bestimmung der irdischen Güter zu überdenken und auf die Früchte des jüngsten wirtschaftlichen und technologischen Fortschritts auszudehnen. Der Besitz der neuen Güter, die auf Kenntnissen, Technik und Wissen basieren, wird immer entscheidender, weil „der Reichtum der Industrienationen (…) zu einem viel größeren Teil auf dieser Art des Eigentums als auf dem der natürlichen Ressourcen“ beruht.379 Die neuen technischen und wissenschaftlichen Kenntnisse müssen in den Dienst der vorrangigen Bedürfnisse des Menschen gestellt werden, damit der gemeinsame Besitz der Menschheit schrittweise anwachsen kann. Die vollständige Umsetzung des Prinzips von der allgemeinen Bestimmung der Güter macht deshalb ein Handeln auf internationaler Ebene und Initiativen erforderlich, die von allen Ländern gemeinsam geplant werden: „Es gilt, die Barrieren und Monopole zu durchbrechen, die so viele Völker am Rande der Entwicklung liegenlassen. Es gilt, für alle – einzelne und Nationen – die Grundbedingungen für die Teilnahme an der Entwicklung sicher- zustellen“.380
180 Auch wenn im Verlauf der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Formen des Eigentums merklich an Bedeutung gewinnen, die in der Vergangenheit unbekannt waren, darf man doch auch jene traditionellen Formen nicht vergessen. Das individuelle Eigentum ist nicht die einzige rechtmäßige Form des Besitzes. Auch die alte Form des gemeinschaftlichen Eigentums ist von besonderer Wichtigkeit, die zwar auch in wirtschaftlich fortgeschrittenen Ländern vorhanden, aber doch vor allem für die Gesellschaftsstruktur autochthoner Völker kennzeichnend ist. Hierbei handelt es sich um eine Form von Eigentum, die das wirtschaftliche, kulturelle und politische Leben dieser Völker so einschneidend prägt, dass sie ein grundlegendes Element ihres Überlebens und ihres Wohlstands ausmacht. Der Schutz und die Anerkennung des gemeinschaftlichen Eigentums dürfen jedoch nicht von der Tatsache ablenken, dass auch diese Form von Eigentum dazu bestimmt ist, sich weiterzuentwickeln. Wenn man nur seinen Erhalt sicherstellen wollte, würde man Gefahr laufen, es an die Vergangenheit zu ketten und auf diese Weise seinen Fortbestand aufs Spiel zu setzen.381
Die gerechte Aufteilung des Bodens bleibt vor allem in Ländern, die noch in der Entwicklung begriffen oder aus kollektivistischen oder kolonialen Systemen hervorgegangen sind, immer eine entscheidende Frage. In den ländlichen Gebieten ist die Möglichkeit, auf den vom Arbeits- und Kreditmarkt gebotenen Wegen zu Grund und Boden zu gelangen, eine notwendige Voraussetzung für den Zugang zu anderen Gütern und Diensten; diese Möglichkeit bildet nicht nur ein wirksames Mittel zum Schutz der Umwelt, sondern stellt ein System der sozialen Absicherung dar, das auch in Ländern mit schwacher Verwaltungsstruktur verwirklicht werden kann.382181 Für das besitzende Subjekt, sei es ein Einzelner oder eine Gemeinschaft, ergeben sich aus dem Eigentum eine Reihe von objektiven Vorteilen: bessere Lebensbedingungen, Sicherheit für die Zukunft, größere Wahlmöglichkeiten. Andererseits bringt das Eigentum jedoch auch eine Reihe von trügerischen Versprechungen und Versuchungen mit sich. Der Mensch oder die Gesellschaft, die so weit gehen, seine Rolle zu verabsolutieren, machen schließlich die Erfahrung radikalster Sklaverei. Aufgrund seines Einflusses sowohl auf die Einzelnen als auch auf die Institutionen kann nämlich kein Besitz als indifferent betrachtet werden: Der Besitzer, der seine Güter unvorsichtigerweise zu Götzen macht (vgl. Mt 6, 24; 19.21–26; Lk 16, 13), wird mehr als je zuvor von ihnen besessen und geknechtet.383 Nur wenn man ihre Abhängigkeit von Gott, dem Schöpfer, erkennt und sie folgerichtig auf das Gemeinwohl hin ausrichtet, ist es möglich, den materiellen Gütern Funktionen zuzuweisen, die dem Wachstum der Menschen und der Völker dienlich sind.
c) Allgemeine Bestimmung der Güter und vorrangige Option für die Armen
182 Das Prinzip von der allgemeinen Bestimmung der Güter erfordert, dass man mit besonderer Aufmerksamkeit auf die Armen achtet, auf die, die sich am Rand befinden, und auf die Personen, die in irgendeiner Weise durch ihre Lebensbedingungen an der ihnen gebührenden Entfaltung gehindert werden. In diesem Zusammenhang muss die vorrangige Option für die Armen mit allem Nachdruck unterstrichen werden:384 „Dies ist eine Option oder ein besonderer Vorrang in der Weise, wie die christliche Liebe ausgeübt wird; eine solche Option wird von der ganzen Tradition der Kirche bezeugt. Sie bezieht sich auf das Leben eines jeden Christen, insofern er dem Leben Christi nachfolgt; sie gilt aber gleichermaßen für unsere sozialen Verpflichtungen und daher auch für unseren Lebensstil sowie für die entsprechenden Entscheidungen die hinsichtlich des Eigentums und des Gebrauchs der Güter zu treffen sind. Heute muss angesichts der weltweiten Bedeutung, die die Soziale Frage erlangt hat, diese vorrangige Liebe mit den von ihr inspirierten Entscheidungen die unzähligen Scharen von Hungernden, Bettlern, Obdachlosen, Menschen ohne medizinische Hilfe und vor allem ohne Hoffnung auf eine bessere Zukunft umfassen“.385
183 Das menschliche Elend ist das sichtbare Zeichen für den Zustand der Schwäche des Menschen und seiner Heilsbedürftigkeit.386 Mit diesem Zustand hatte Christus, der Erlöser, Mitleid, als er sich „mit seinen geringsten Brüdern“ (vgl. Mt 25, 40.45) identifizierte: „An dem, was sie für die Armen getan haben, wird Jesus Christus seine Auserwählten erkennen. Wenn »den Armen das Evangelium verkündet« wird (Mt 11,5), ist dies ein Zeichen für die Gegenwart Christi“.387 Jesus sagt: „Die Armen habt ihr immer bei euch, mich aber habt ihr nicht immer“ (Mt 26, 11; vgl. Mk 14, 7; Joh 12, 8), aber er sagt dies nicht, um zwischen der ihm zugewandten Aufmerksamkeit und dem Dienst an den Armen einen Gegensatz herzustellen. Während der christliche Realismus auf der einen Seite die lobenswerten Anstrengungen würdigt, die im Kampf gegen die Armut unternommen werden, warnt er auf der anderen Seite vor ideologischen Positionen und Formen des Messianismus, die die Illusion nähren, dass man das Problem der Armut auf dieser Welt vollkommen beseitigen könnte. Das wird erst bei seiner Wiederkunft geschehen, wenn er wieder und für immer bei uns sein wird. In der Zwischenzeit bleiben die Armen uns anvertraut, und wir werden am Ende über sie Rechenschaft abzulegen haben (vgl. Mt 25, 31–46): „Unser Herr macht uns darauf aufmerksam, dass wir von ihm getrennt werden, wenn wir es unterlassen, uns der schweren Nöte der Armen und Geringen, die seine Brüder und Schwestern sind, anzunehmen“.388
184 Die Liebe der Kirche zu den Armen ist vom Evangelium der Seligpreisungen, von der Armut Jesu und von seiner Aufmerksamkeit für die Armen inspiriert. Diese Liebe betrifft die materielle, aber auch die zahlreichen Formen der kulturellen und religiösen Armut.389 Die Kirche hat „seit ihren Anfängen, ungeachtet der Schwächen vieler ihrer Glieder, unaufhörlich dafür gewirkt (…), die Bedrückten zu stützen, zu verteidigen und zu befreien. Das hat sie getan durch zahllose Werke der Wohltätigkeit, die immer und überall unentbehrlich bleiben“.390 Ausgehend von dem Gebot des Evangeliums: „Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben“ (Mt 10, 8) lehrt die Kirche, dem Nächsten in seinen verschiedenen Nöten beizustehen, und vollbringt in der menschlichen Gemeinschaft auf leiblicher wie geistiger Ebene unzählige Werke der Barmherzigkeit: „Unter diesen Werken ist das Almosenspenden an Arme eines der Hauptzeugnisse der Bruderliebe; es ist auch eine Gott wohlgefällige Tat der Gerechtigkeit“,391 auch wenn die tätige Nächstenliebe sich nicht auf das Almosenspenden reduziert, sondern auch die Aufmerksamkeit für die soziale und politische Dimension des Problems der Armut beinhaltet. Immer wieder kommt die Lehre der Kirche auf den Zusammenhang zwischen Liebe und Gerechtigkeit zurück: „Denn wenn wir die Bedürftigen mit dem Notwendigen versorgen, geben wir ihnen das Ihre zurück und verschenken nicht das Unsrige. Wir lösen eher das ein, was wir der Gerechtigkeit schulden, als dass wir ein Werk der Barmherzigkeit vollbringen“.392 Die Konzilsväter empfehlen mit Nachdruck, diese Pflicht zu erfüllen, denn „man darf nicht als Liebesgabe anbieten, was schon aus Gerechtigkeit geschuldet ist“.393 Die Liebe zu den Armen ist ganz sicher „mit der ungezügelten Liebe zum Reichtum oder mit dessen egoistischem Gebrauch unvereinbar“394 (vgl. Jak 5, 1–6).
IV. DAS PRINZIP DER SUBSIDIARITÄT
a) Ursprung und Bedeutung
185 Die Subsidiarität gehört seit der ersten großen Sozialenzyklika zu den beständigsten und charakteristischsten Leitgedanken der kirchlichen Soziallehre.395 Es ist unmöglich, die Würde der Person zu stärken, ohne die Familie, die Gruppen, die Verbände, die örtlichen territorialen Gegebenheiten, kurz: diejenigen Assoziationsformen in den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Kultur, Sport, Freizeit, Beruf oder Politik zu berücksichtigen, die die Personen spontan ins Leben rufen und die ihnen ein effektives soziales Wachstum ermöglichen.396 Das ist das Gebiet der Zivilgesellschaft im Sinne der Gesamtheit von Beziehungen zwischen Individuen und mittleren Gesellschaftsformen, die auf ursprüngliche Weise und dank der „Kreativität des Bürgers“397 verwirklicht werden. Das Netz dieser Beziehungen festigt das soziale Gewebe und bildet die Grundlage einer wahren Gemeinschaft von Personen, indem es die Anerkennung höher entwickelter Formen der Gesellschaftlichkeit möglich macht.398
186 Die Forderung, die ursprünglichen Ausdrucksformen der Gesellschaftlichkeit zu schützen und zu fördern, unterstreicht die Kirche in der Enzyklika „Quadragesimo anno“, in der das Subsidiaritätsprinzip als oberstes Prinzip der „Sozialphilosophie“ bezeichnet wird: „Wie das, was von einzelnen Menschen auf eigene Faust und in eigener Tätigkeit vollbracht werden kann, diesen nicht entrissen und der Gemeinschaft übertragen werden darf, so ist es ein Unrecht und zugleich ein schwerer Schaden und eine Störung der rechten Ordnung, das auf eine größere und höhere Gemeinschaft zu übertragen, was von kleineren und niedrigeren Gemeinschaften erreicht und geleistet werden kann; denn jede gesellschaftliche Tätigkeit muss ihrem Wesen und ihrer Natur nach den Gliedern des gesellschaftlichen Leibes Unterstützung leisten, darf sie aber niemals zerstören und aufsaugen“.399 Aufgrund dieses Prinzips müssen alle Gesellschaften höherer Ordnung den niedrigeren gegenüber eine Haltung der Hilfeleistung („subsidium“) – also der Unterstützung, Förderung und Entwicklung – einnehmen. Auf diese Weise können die mittleren sozialen Körperschaften die ihnen zustehenden Funktionen in angemessener Weise erfüllen, ohne sie zu Unrecht an andere gesellschaftliche Vereinigungen abtreten zu müssen, die einer höheren Ebene angehören und von denen sie andernfalls absorbiert und ersetzt und schließlich ihrer eigenen Würde und ihres Lebensraumes beraubt würden. Der positiv verstandenen Subsidiarität im Sinne einer den kleineren gesellschaftlichen Einheiten angebotenen wirtschaftlichen, institutionellen oder legislativen Hilfe entspricht eine Reihe negativ formulierter Implikationen, die den Staat dazu verpflichten, alles zu unterlassen, was den Lebensraum der kleineren und wesentlichen Zellen der Gesellschaft faktisch einschränken würde. Ihre Initiative, Freiheit und Verantwortlichkeit dürfen nicht verdrängt werden.
b) Konkrete Hinweise
187 Das Subsidiaritätsprinzip schützt die Personen vor dem Missbrauch der übergeordneten gesellschaftlichen Institutionen und fordert die letztgenannten dazu auf, den einzelnen Individuen und den mittleren Körperschaften bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu helfen. Dieses Prinzip ist deshalb notwendig, weil jede Person, jede Familie und jede mittlere Körperschaft der Gesellschaft etwas Ureigenes anzubieten hat. Die Erfahrung bestätigt, dass die Aufhebung der Subsidiarität oder ihre Einschränkung im Namen einer vermeintlichen Demokratisierung oder Gleichheit aller in der Gesellschaft den Geist der Freiheit und der Initiative einengt und zuweilen auch erstickt. Im Widerspruch zum Subsidiaritätsprinzip stehen Formen der Zentralisierung, der Bürokratisierung, des Wohlfahrtsstaats, kurz: einer ungerechtfertigten und übertriebenen Präsenz des Staates und des öffentlichen Apparats: „Der Wohlfahrtsstaat, der direkt eingreift und die Gesellschaft ihrer Verantwortung beraubt, löst den Verlust an menschlicher Energie und das Auf blähen der Staatsapparate aus, die mehr von bürokratischer Logik als von dem Bemühen beherrscht werden, den Empfängern zu dienen; Hand in Hand damit geht eine ungeheure Ausgabensteigerung“.400 Das Subsidiaritätsprinzip wird zum einen durch die fehlende oder unzureichende Anerkennung der Privatinitiative auch im wirtschaftlichen Bereich und ihrer öffentlichen Funktion und zum anderen durch die Monopole untergraben. Die Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips setzt voraus: dass der Vorrang der Person und der Familie respektiert und wirksam gefördert wird; dass die mittleren Verbände und Organisationen in ihren eigenen grundlegenden Entscheidungen und in allem, was nicht delegiert oder von anderen übernommen werden kann, geschätzt werden; dass die Privatinitiativen dadurch erleichtert werden, dass jeder gesellschaftliche Organismus seine je besonderen Eigenschaften in den Dienst des Gemeinwohls stellt; dass die Gesellschaft sich pluralistisch artikuliert und ihre Lebenskraft nach außen darstellt; dass die Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten geschützt werden; dass Bürokratie und Verwaltung dezentralisiert sind; dass zwischen der öffentlichen und der privaten Sphäre ein Gleichgewicht herrscht und folgerichtig auch das Private in seiner sozialen Funktion anerkannt wird; und dass der Bürger seine Verantwortung als aktiver Teil der politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit seines Landes in angemessener Weise wahrnehmen kann.
188 Verschiedene Umstände können es als ratsam erscheinen lassen, dass der Staat eine ergänzende Funktion ausübt.401 Man denke etwa an Situationen, in denen der Staat selbst die Wirtschaft fördern muss, weil es der zivilen Gesellschaft nicht möglich ist, von sich aus die Initiative zu ergreifen; oder an Verhältnisse schweren Ungleichgewichts und sozialer Ungerechtigkeit, die nur durch ein öffentliches Eingreifen in Bedingungen von größerer Gleichheit, Gerechtigkeit und Frieden verwandelt werden können. Im Licht des Subsidiaritätsprinzips betrachtet darf diese institutionelle Ergänzung sich jedoch nicht über das strikt Notwendige hinaus verlängern und ausdehnen, da sie sich nur durch den Ausnahmecharakter der Situation rechtfertigen lässt. In jedem Fall muss das recht verstandene Gemeinwohl, dessen Forderungen dem Schutz und der Stärkung des Vorrangs der Person und ihrer wichtigsten sozialen Ausdrucksformen niemals widersprechen dürfen, immer das Kriterium bleiben, anhand dessen über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips entschieden wird.
V. DIE BETEILIGUNG
a) Bedeutung und Gültigkeit
189 Eine charakteristische Konsequenz der Subsidiarität ist die Beteiligung,402 die ihren Ausdruck vor allem in einer Reihe von Tätigkeiten findet, durch die der Bürger einzeln oder gemeinsam mit anderen direkt oder durch die Vermittlung der jeweiligen Repräsentanten zum kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Leben der Zivilgemeinschaft beiträgt, der er angehört.403 Die Beteiligung ist eine Pflicht, die von allen bewusst, auf verantwortungsvolle Weise und im Sinne des Gemeinwohls wahrgenommen werden muss.404 Sie kann nicht auf einen bestimmten Sektor des gesellschaftlichen Lebens begrenzt oder beschränkt werden, da sich ihre Bedeutung für das vor allem menschliche Wachstum auf Bereiche wie die Arbeitswelt und die wirtschaftlichen Aktivitäten in ihrer inneren Dynamik,405 auf Information und Kultur und ganz besonders auch auf die höchsten Ebenen des gesellschaftlichen und politischen Lebens erstreckt, jene Ebenen nämlich, von denen die Zusammenarbeit aller Völker an der Schaffung einer internationalen Solidargemeinschaft abhängig ist.406 So gesehen ist es unumgänglich, die Beteiligung vor allem der eher Benachteiligten und den Wechsel in der politischen Führung zu begünstigen, um zu verhindern, dass sich verborgene Privilegien etablieren; überdies ist eine starke Anspannung der moralischen Kräfte erforderlich, damit die Organisation des öffentlichen Lebens das Ergebnis der Mitverantwortung aller für das Gemeinwohl ist.
b) Beteiligung und Demokratie
190 Die Beteiligung am gemeinschaftlichen Leben ist nicht nur eines der wichtigsten Ziele des Bürgers, der aufgerufen ist, seine eigene Bürgerrolle frei und verantwortungsbewusst mit den anderen und für die anderen wahrzunehmen, sondern auch einer der Pfeiler aller demokratischen Ordnungen407 und zudem eine der wichtigsten Garantien für den Fortbestand der Demokratie. Denn die demokratische Regierung definiert sich über die ihr vom Volk anvertrauten Vollmachten und Funktionen, die im Namen und Auftrag des Volkes und zu seinen Gunsten ausgeübt werden; damit liegt es auf der Hand, dass jede Demokratie auf dem Prinzip der Beteiligung zu basieren hat.408 Das bedeutet, dass sie bei der Ausübung ihrer Funktionen die verschiedenen Subjekte der Zivilgemeinschaft auf ihrer jeweiligen Ebene informieren, anhören und mit einbeziehen muss.
191 Die Beteiligung kann in allen möglichen Beziehungen zwischen dem Bürger und den Institutionen verwirklicht werden: Zu diesem Zweck müssen die historischen und sozialen Zusammenhänge, in denen ihre praktische Umsetzung erfolgen soll, besonders berücksichtigt werden. Die Überwindung der kulturellen, juristischen und sozialen Hindernisse, die sich der solidarischen Beteiligung der Bürger am Schicksal ihrer eigenen Gemeinschaft oft als echte Barrieren entgegenstel- len, erfordert Erziehung und Information.409 In dieser Hinsicht erfordern alle Haltungen besondere Aufmerksamkeit, die den Bürger zu unzulänglichen oder unrichtigen Formen der Beteiligung verleiten und zu einem weit verbreiteten Desinteresse an allem, was den Bereich des sozialen und politischen Lebens betrifft – man denke etwa an die Versuche der Bürger, mit den Institutionen die günstigsten Bedingungen „auszuhandeln“ und diese damit in den Dienst ihrer eigenen egoistischen Interessen zu stellen, und an die Praxis, sich auf die Ausübung des Wahlrechts zu beschränken und manchmal nicht einmal von diesem Gebrauch zu machen.410 Einen weiteren Anlass zur Sorge bieten in diesem Zusammenhang Länder mit totalitärem oder diktatorischem Regime, in denen das fundamentale Recht auf Beteiligung am öffentlichen Leben als Bedrohung des Staates verstanden und damit von Grund auf verweigert wird;411 Länder, in denen dieses Recht nur formal verkündet, jedoch nicht konkret ausgeübt wird; und schließlich Länder, deren gigantischer bürokratischer Apparat dem Bürger faktisch die Möglichkeit nimmt, im sozialen und politischen Leben wirklich eine aktive Rolle zu spielen.412
VI. DAS SOLIDARITÄTSPRINZIP
a) Bedeutung und Gültigkeit
192 Die Solidarität bringt die angeborene Sozialität der menschlichen Person, die Gleichheit der Würde und der Rechte aller sowie den gemeinsamen Weg der Menschen und Völker zu einer immer festeren Einheit in besonderer Weise zur Geltung. Nie zuvor war das Wissen um das Band der wechselseitigen Abhängigkeit zwischen Menschen und Völkern, die sich auf allen Ebenen manifestiert, so weit verbreitet wie heute.413 Die sich rasend schnell vervielfältigenden Wege und Mittel einer Kommunikation „in Echtzeit“ etwa im Bereich der Telematik, die außerordentlichen Fortschritte der Informatik, der wachsende Umfang des kommerziellen und des Informationsaustauschs beweisen, dass es mittlerweile zum ersten Mal seit Beginn der Menschheitsgeschichte zumindest technisch möglich ist, auch zwischen Personen, die weit voneinander entfernt sind oder einander nicht kennen, Beziehungen herzustellen. Gegenüber dem Phänomen der wechselseitigen Abhängigkeit und seiner kontinuierlichen Ausbreitung bestehen jedoch andererseits in der ganzen Welt krasseste Ungleichheiten zwischen den entwickelten und den Entwicklungsländern, die durch verschiedene Formen der Ausbeutung, der Unterdrückung und der Korruption noch verstärkt werden, die das innere und internationale Leben vieler Staaten negativ beeinflussen. Der Prozess der zunehmenden wechselseitigen Abhängigkeit zwischen Personen und Völkern muss von einem ebenfalls immer intensiveren Engagement auf ethisch-sozialer Ebene begleitet werden, um die unheilvollen Konsequenzen einer Unrechtssituation von weltweiten Ausmaßen zu verhindern, die sich auch auf die derzeit eher begünstigten Länder spürbar negativ auswirken wird.414
b) Die Solidarität als soziales Prinzip und als moralische Tugend
193 Die neuen Beziehungen der wechselseitigen Abhängigkeit zwischen Menschen und Völkern, bei denen es sich de facto um Formen der Solidarität handelt, müssen sich in Beziehungen verwandeln, die auf eine wahre und eigentliche ethisch-moralische Solidarität ausgerichtet sind, denn das ist die moralische Forderung, die allen menschlichen Beziehungen innewohnt. Die Solidarität hat also zwei einander ergänzende Aspekte: den eines sozialen Prinzips415 und den einer moralischen Tugend.416 Die Solidarität muss vor allem in ihrer Bedeutung als soziales Ordnungsprinzip der Institutionen begriffen werden, auf dessen Grundlage die „Strukturen der Sünde“417, die die Beziehungen zwischen den Personen und den Völkern beherrschen, durch die Schaffung oder die angemessene Veränderung von Gesetzen, Marktregeln und Normierungen überwunden und in Strukturen der Solidarität verwandelt werden müssen. Die Solidarität ist auch eine wahre und eigentliche moralische Tugend, „nicht ein Gefühl vagen Mitleids oder oberflächlicher Rührung wegen der Leiden so vieler Menschen nah oder fern. Im Gegenteil, sie ist die feste und beständige Entschlossenheit,sichfür das»Gemeinwohl« einzusetzen, das heißt, für das Wohl aller und eines jeden, weil wir alle für alle verantwortlich sind“.418 Die Solidarität nimmt den Rang einer grundlegenden sozialen Tugend ein, weil sie im Raum der Gerechtigkeit angesiedelt ist, der Tugend schlechthin, was die Ausrichtung auf das Gemeinwohl betrifft, und im „Einsatz für das Wohl des Nächsten zusammen mit der Bereitschaft, sich im Sinne des Evangeliums für den anderen zu »verlieren«, anstatt ihn auszubeuten, und ihm zu »dienen«, anstatt ihn um des eigenen Vorteils willen zu unterdrücken (vgl. Mt 10, 40–42; 20, 25; Mk 10, 42–45; Lk 22, 25–27)“.419
c) Solidarität und gemeinsames menschliches Wachstum
194 Die Botschaft der Soziallehre zur Solidarität unterstreicht die Tatsache, dass zwischen Solidarität und Gemeinwohl, Solidarität und allgemeiner Bestimmung der Güter, Solidarität und Gleichheit der Menschen und Völker, Solidarität und Weltfrieden eine enge Verbindung besteht.420 Der Begriff „Solidarität“, von dem das Lehramt umfassenden Gebrauch macht,421 bringt zusammenfassend die Forderung zum Ausdruck, in der Gesamtheit der Bindungen, die die Menschen und die sozialen Gruppen miteinander vereinen, Raum für die menschliche Freiheit zu lassen und so für ein gemeinsames Wachstum zu sorgen, an dem alle Anteil haben. Das diesbezügliche Engagement besteht in dem positiven Beitrag, sich der gemeinsamen Sache nicht zu entziehen, in der Suche nach möglichen Berührungspunkten auch dort, wo eine Logik der Spaltung und Aufsplitterung vorherrscht, in der Bereitschaft, sich über allen Individualismus und Partikularismus hinweg für das Wohl des anderen einzusetzen.422195 Das Prinzip der Solidarität setzt voraus, dass die Menschen unserer Zeit sich ihrer Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft, der sie angehören, stärker bewusst werden: Sie sind Schuldner der Bedingungen, die die menschliche Existenz lebbar machen, zum Beispiel jenes unteilbaren und unverzichtbaren Guts der Kultur, der wissenschaftlichen und technischen Kenntnisse, der materiellen und immateriellen Güter und all dessen, was die Entwicklung der Menschheit hervorgebracht hat. Diese Schuld wird in den verschiedenen Formen des sozialen Handelns beglichen, sodass der Weg der Menschen nicht unterbrochen wird, sondern für die gegenwärtigen und zukünftigen Generationen offen bleibt, die gemeinsam dazu berufen sind, dasselbe Geschenk solidarisch miteinander zu teilen.
d) Die Solidarität im Leben und in der Botschaft Jesu Christi
196 Der absolute Gipfel des hier entworfenen Panoramas ist das Leben Jesu von Nazareth, des neuen Menschen, der bis zum „Tod am Kreuz“ (Phil 2, 8) mit der Menschheit solidarisch war: In ihm ist das lebendige Zeichen jener unermesslichen, alles übersteigenden Liebe des Gott-mit-uns immer erkennbar, der sich der Schwäche seines Volkes annimmt, mit ihm unterwegs ist, es rettet und in der Einheit begründet.423 In ihm und durch ihn kann auch das Leben in der Gesellschaft trotz seiner Widersprüchlichkeit und Ambiguität als Ort des Lebens und der Hoffnung wiederentdeckt werden, in dem sich eine Gnade ausdrückt, die allen beständig geschenkt wird und zu den erhabensten und mitreißendsten Formen des Miteinanders einlädt. Jesus von Nazareth lässt das Band zwischen Solidarität und Liebe vor den Augen aller Menschen sichtbar werden und in seiner ganzen Bedeutung erstrahlen:424 „Im Licht des Glaubens strebt die Solidarität danach, sich selbst zu übersteigen, um die spezifisch christlichen Dimensionen des völligen Ungeschuldetseins, der Vergebung und der Versöhnung anzunehmen. Dann ist der Nächste nicht mehr nur ein menschliches Wesen mit seinen Rechten und seiner grundlegenden Gleichheit mit allen, sondern wird das lebendige Abbild Gottes, des Vaters, erlöst durch das Blut Jesu Christi und unter das ständige Wirken des Heiligen Geistes gestellt. Er muss also, auch als Feind, mit derselben Liebe geliebt werden, mit der ihn der Herr liebt, und man muss für ihn zum Opfer bereit sein, auch zum höchsten: »das Leben für die eigenen Brüder geben« (vgl. Joh 3, 16)“.425
VII. DIE GRUNDWERTE DES GESELLSCHAFTLICHEN LEBENS
a) Verhältnis zwischen Prinzipien und Werten
197 Neben den Prinzipien, die der Schaffung einer menschenwürdigen Gesellschaft zugrunde liegen müssen, beinhaltet die Soziallehre der Kirche auch grundlegende Werte. Prinzipien und Werte stehen zweifellos in einem Verhältnis der Wechsel- seitigkeit, denn die sozialen Werte bringen die Wertschätzung zum Ausdruck, die bestimmten Aspekten des moralisch Guten entgegengebracht werden muss, während die Prinzipien sich im Hinblick auf die Verwirklichung derselben Aspekte als Bezugspunkte für eine angemessene Strukturierung und geordnete Gestaltung des sozialen Lebens anbieten. Deshalb erfordern die Werte sowohl die praktische Umsetzung der Grundprinzipien des gesellschaftlichen Lebens wie auch die persönliche Übung der Tugend und folglich der den Werten selbst entsprechenden moralischen Einstellungen.426 Alle sozialen Werte hängen mit der Würde der menschlichen Person zusammen und fördern ihre authentische Entwicklung. Im Wesentlichen handelt es sich um: Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit, Liebe.427 Ihre praktische Umsetzung ist ein sicherer und notwendiger Weg zur persönlichen Vervollkommnung und zu einem menschlicheren Zusammenleben; sie bilden das unverzichtbare Bezugssystem für die Verantwortlichen des öffentlichen Lebens, die dazu aufgerufen sind, „eine wirksame Reform der wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und technologischen Strukturen sowie die notwendigen Veränderungen in den Institutionen zu bewerkstelligen“.428 Der Respekt vor der rechtmäßigen Autonomie der irdischen Wirklichkeiten veranlasst die Kirche dazu, sich keine spezifischen technischen und weltlichen Kompetenzen vorzubehalten,429 aber er hindert sie nicht daran, einzugreifen und deutlich zu machen, wie diese Werte in den verschiedenen Entscheidungen des Menschen bestätigt oder missachtet werden.430
b) Die Wahrheit
198 Die Menschen sind in besonderer Weise dazu bestimmt, beständig nach der Wahrheit zu streben, sie zu achten und sie verantwortungsbewusst zu bezeugen.431 In der Wahrheit zu leben hat vor allem in den sozialen Beziehungen eine besondere Bedeutung: Das Zusammenleben von Menschen innerhalb einer Gemeinschaft ist nämlich nur dann geordnet, fruchtbar und ihrer personalen Würde angemessen, wenn es sich auf die Wahrheit gründet.432 Je mehr sich die Personen und sozialen Gruppen bemühen, die gesellschaftlichen Probleme der Wahrheit gemäß zu lösen, desto mehr entfernen sie sich von der Willkür und nähern sich den objektiven Forderungen der Moral. Unsere Zeit erfordert eine intensive erzieherische Tätigkeit433 und ein entsprechendes Engagement aller, damit das Streben nach der Wahrheit, die sich nicht auf die Gesamtheit der verschiedenen Meinungen oder auf eine beliebige Einzelmeinung beschränken lässt, in jedem Bereich gefördert wird und stärker ist als jeder Versuch, seine Forderungen zu relativieren oder sich ihm entgegenzustellen.434 Dieses Problem betrifft besonders die Welt der öffentlichen Kommunikation und der Wirtschaft. Hier wirft der skrupellose Gebrauch des Geldes immer drängendere Fragen auf, die zwingend auf ein Bedürfnis nach Transparenz und Ehrlichkeit im persönlichen und sozialen Handeln schließen lassen.
c) Die Freiheit
199 Die Freiheit ist das größte Zeichen der Gottähnlichkeit des Menschen und damit Zeichen der erhabenen Würde jeder menschlichen Person:435 „Freiheit wird in zwischenmenschlichen Beziehungen ausgeübt. Jeder Mensch hat das natürliche Recht, als ein freies, verantwortliches Wesen anerkannt zu werden, weil er nach dem Bilde Gottes geschaffen ist. Alle Menschen sind einander diese Achtung schuldig. Das Recht, die Freiheit auszuüben, ist untrennbar mit der Würde des Menschen verbunden“.436 Die Bedeutung der Freiheit darf nicht eingeschränkt und in einer rein individualistischen Betrachtungsweise auf die willkürliche und unkontrollierte Ausübung der eigenen, personalen Autonomie reduziert werden: „Die Freiheit verwirklicht sich nicht in einer völligen Autarkie des eigenen Ichs und ohne Bezug auf die anderen; sie existiert wahrhaft nur dort, wo gegenseitige Bindungen, die von Wahrheit und Gerechtigkeit bestimmt sind, die Personen vereinen“.437 Die Auffassung von Freiheit wird tief und weit, wenn sie auch auf gesellschaftlicher Ebene in der Gesamtheit ihrer Dimensionen geschützt wird.
200 Der Wert der Freiheit als Ausdruck der Einzigartigkeit jeder menschlichen Person wird respektiert, wenn jedem Mitglied der Gesellschaft die Möglichkeit zugestanden wird, seine eigene, personale Berufung zu erfüllen; die Wahrheit zu suchen und die eigenen religiösen, kulturellen und politischen Vorstellungen zu artikulieren; seine eigenen Meinungen zu äußern; über seinen eigenen Lebensstand und, soweit möglich, über die eigene Arbeit zu entscheiden; Initiativen wirtschaftlicher, sozialer und politischer Art zu ergreifen. Dies alles muss „in eine feste Rechtsordnung eingebunden“438 sein und sich innerhalb der Grenzen des Gemeinwohls, der öffentlichen Ordnung und in jedem Fall im Zeichen der Verantwortung vollziehen. Die Freiheit muss sich andererseits auch als die Fähigkeit manifestieren, das moralisch Negative, unter welchen Formen es auch auftreten mag, abzulehnen,439 als Fähigkeit, sich wirksam von allem zu distanzieren, was das personale, familiäre und soziale Wachstum behindern kann. Die Fülle der Freiheit besteht in der Fähigkeit, im Hinblick auf das wahrhaft Gute und im Horizont des weltweiten Gemeinwohls über sich zu verfügen.440
d) Die Gerechtigkeit
201 Die Gerechtigkeit ist ein Wert, der mit der Übung der entsprechenden sittlichen Kardinaltugend einhergeht.441 Der klassischsten Formulierung zufolge ist sie „der beständige, feste Wille, Gott und dem Nächsten das zu geben, was ihnen gebührt“.442 Subjektiv betrachtet äußert sich die Gerechtigkeit in einer Haltung, die von dem Willen bestimmt ist, den anderen als Person anzuerkennen, während sie objektiv betrachtet das entscheidende Kriterium der Sittlichkeit im intersubjektiven und sozialen Bereich darstellt.443 Das soziale Lehramt ruft dazu auf, die klassischen Formen der ausgleichenden, der austeilenden und der legalen Gerechtigkeit zu respektieren.444 Von zunehmender Bedeutung ist dabei die soziale Gerechtigkeit,445 die eine wahre und eigentliche Weiterentwicklung der allgemeinen Gerechtigkeit darstellt, welche die sozialen Verhältnisse auf der Grundlage des Kriteriums der Gesetzestreue regelt. Die Forderung der sozialen Gerechtigkeit ist mit der sozialen Frage verknüpft, die mittlerweile globale Ausmaße erreicht hat, und betrifft die sozialen, politischen und ökonomischen Aspekte und vor allem die strukturelle Dimension der Probleme und der dazugehörigen Lösungen.446
202 Die Gerechtigkeit ist vor allem im aktuellen Kontext wichtig, da der Wert der Person, ihrer Würde und ihrer Rechte jenseits aller Absichtserklärungen ernsthaft von der weit verbreiteten Tendenz bedroht ist, ausschließlich auf Kriterien der Nützlichkeit und des Habens zurückzugreifen. Auf der Grundlage solcher Kriterien wird auch die Gerechtigkeit in einer einschränkenden Weise betrachtet, wohingegen sie in der christlichen Anthropologie eine vollständigere und authentischere Bedeutung erhält. Die Gerechtigkeit ist nicht einfach eine menschliche Konvention, denn was „gerecht“ ist, wird in seinem Ursprung nicht vom Gesetz bestimmt, sondern stammt aus der Tiefe der menschlichen Identität.447
203 Die volle Wahrheit über den Menschen macht es möglich, die beschränkte Sichtweise, wonach die Gerechtigkeit nur auf einer Übereinkunft beruht, zu überwinden und auch der Gerechtigkeit die Horizonte der Solidarität und der Liebe zu eröffnen: „Die Gerechtigkeit allein genügt nicht. Im Gegenteil, sie kann bis zur Selbstverneinung gehen, wenn sie sich nicht jener tieferen Kraft öffnet, die die Liebe ist“.448 Neben den Wert der Gerechtigkeit nämlich stellt die Soziallehre den der Solidarität als des bevorzugten Wegs zum Frieden. Wenn der Friede die Frucht der Gerechtigkeit ist, dann könnte man heute „mit derselben Genauigkeit und der gleichen Kraft biblischer Inspiration (vgl. Jes 32, 17; Jak 3, 18) sagen: Opus solidaritatis pax – Friede, die Frucht der Soli- darität“.449 Denn das Ziel des Friedens „wird gewiss mit der Verwirklichung der sozialen und internationalen Gerechtigkeit erreicht werden, aber auch mit der Übung jener Tugenden, die das Zusammenleben fördern und das Leben in Einheit lehren, um gemeinsam, im Geben und Nehmen, eine neue Gesellschaft und eine bessere Welt zu schaffen“.450
VIII. DER WEG DER LIEBE
204 Zwischen den Tugenden in ihrer Gesamtheit und insbesondere zwischen Tugenden, sozialen Werten und Liebe besteht eine tiefe Verbindung, die immer deutlicher erkannt werden muss. Die Liebe, die oft auf den Bereich naher Beziehungen oder auf die bloß subjektiven Aspekte des Handelns für den anderen beschränkt wird, muss in ihrer ursprünglichen Bedeutung als oberstes und allgemeingültiges Kriterium der gesamten sozialen Ethik wiederentdeckt werden. Von allen Wegen, auch jenen, die gesucht und gegangen werden, um den immer neuen Formen der aktuellen sozialen Frage zu begegnen, ist der eine Weg, „der alles übersteigt“ (1 Kor 12, 31), der Weg der Liebe.
205 Die Werte der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der Freiheit entspringen und entwickeln sich aus der inneren Quelle der Liebe: Das menschliche Zusammenleben ist geordnet, bringt Gutes hervor und entspricht der Würde des Menschen, wenn es sich auf die Wahrheit gründet; es vollzieht sich in Gerechtigkeit, das heißt im wirklichen Respekt vor den Rechten und in der treuen Erfüllung der jeweiligen Pflichten; es wird in der Freiheit verwirklicht, die ein Teil der Würde des Menschen ist, wenn dieser sich von seiner eigenen rationalen Natur dazu drängen lässt, Verantwortung für sein eigenes Handeln zu übernehmen; es wird von der Liebe beseelt, die uns die Bedürfnisse und Nöte der anderen als unsere eigenen empfinden und die Gemeinschaft der geistigen Werte sowie den Eifer, mit dem wir uns um die materiellen Notwendigkeiten kümmern, immer stärker werden lässt.451 Diese Werte bilden die Pfeiler, die dem Gebäude des Lebens und Handelns Festigkeit und Beständigkeit verleihen: Es sind Werte, die die Qualität jeder sozialen Handlung und Einrichtung bestimmen.
206 Die Liebe setzt die Gerechtigkeit voraus und übersteigt sie: Letztere muss „ihre Vervollständigung in der Liebe finden“.452 Wenn die Gerechtigkeit imstande ist, „zwischen den Menschen nach Gebühr »Recht zu sprechen«, wenn sie die Sachgüter verteilen und tauschen, so ist die Liebe und nur die Liebe (auch jene gütige Liebe, die wir als »Erbarmen« bezeichnen) fähig, den Menschen sich selbst zurückzugeben“.453 Die menschlichen Verhältnisse können nicht ausschließlich nach dem Maßstab der Gerechtigkeit geregelt werden: „Die Erfahrung der Vergangenheit und auch unserer Zeit lehrt, dass die Gerechtigkeit allein nicht genügt, ja, zur Verneinung und Vernichtung ihrer selbst führen kann (…). Gerade die geschichtliche Erfahrung hat, unter anderem, zur Formulierung der Aussage geführt: summum ius, summa iniuria – höchstes Recht, höchstes Unrecht“.454 Denn die Gerechtigkeit „muss in allen Bereichen zwischenmenschlicher Beziehung sozusagen eine tief greifende »Korrektur« erfahren: durch die Liebe, welche nach dem Hohen Lied des heiligen Paulus »langmütig« und »gütig« ist oder, anders ausgedrückt, die für das Evangelium und das Christentum so wesentlichen Züge des Erbarmens trägt“.455
207 Keine Gesetzgebung, kein System von Regeln oder Übereinkünften kann Menschen und Völker davon überzeugen, in Einheit, Brüderlichkeit und Frieden zu leben, keine Argumentation kann den Appell der Liebe übertönen. Nur die Liebe in ihrer Eigenschaft als „forma virtutum“ 456 kann das soziale Handeln im Zusammenhang einer immer komplexeren Welt auf den Frieden hin beseelen und gestalten. Damit dies alles geschieht, muss die Liebe jedoch nicht nur als Inspirationsquelle für das individuelle Handeln, sondern auch als eine Kraft dargestellt werden, die neue Wege eröffnen kann, um den Problemen der heutigen Welt zu begegnen und Strukturen, soziale Organisationen und Rechtsordnungen von innen heraus und von Grund auf zu erneuern. So gesehen wird die Liebe zu einer sozialen und politischen Liebe: Die soziale Liebe lässt uns das Gemeinwohl lieben457 und auf wirkungsvolle Weise das Wohl aller Personen anstreben, die nicht nur als Individuen, sondern auch in der sozialen Dimension betrachtet werden, die sie vereint.
208 Die soziale und politische Liebe erschöpft sich nicht in den zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern entfaltet sich in dem Netz, in das diese Beziehungen hineingeflochten sind, nämlich der sozialen und politischen Gemeinschaft, und wirkt im Sinne des für die Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit erreichbaren Wohls auf diese ein. Der Nächste, der geliebt werden soll, zeigt sich in so vielen Aspekten „in Gesellschaft“, dass ihn wirklich zu lieben und seinen Bedürfnissen oder seiner Not abzuhelfen auch etwas anderes bedeuten kann als ihm auf einer rein zwischenmenschlichen Ebene zugetan zu sein: Ihn auf der sozialen Ebene zu lieben bedeutet, sich je nach Situation der sozialen Mittel zu bedienen, um sein Leben zu verbessern oder diejenigen sozialen Faktoren zu beseitigen, die seine Not verursacht haben. Das Werk der Barmherzigkeit, mit dem man hier und jetzt auf ein reales und drängendes Bedürfnis des Nächsten reagiert, ist zweifelsohne ein Akt der Liebe; doch ein ebenso unverzichtbarer Akt der Liebe ist das Engagement, das darauf ausgerichtet ist, die Gesellschaft so zu organisieren und zu strukturieren, dass der Nächste nicht im Elend leben muss, vor allem dann, wenn sich eine unüberschaubare Menge von Personen und sogar ganze Völker in dieser Situation befinden, die heute die Proportionen einer wahren und eigentlichen weltweiten sozialen Frage annimmt.
341 Vgl. Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Leitlinien für das Studium und den Unterricht der Soziallehre der Kirche in der Priesterausbildung, 29–42: Der
Apostolische Stuhl 1989, 1384–1390. 342 Vgl. Johannes XXIII., Enz. Mater et magistra: AAS 53 (1961) 453. 343 Kongregation für die Glaubenslehre , Instr. Libertatis conscientia, 72: AAS 79 (1987) 585. 344 Vgl. Johannes Paul II., Enz. Sollicitudo rei socialis, 1: AAS 80 (1988) 513–514. 345 Vgl. Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Leitlinien für das Studium und den Unterricht der Soziallehre der Kirche in der Priesterausbildung, 47: Der
Apostolische Stuhl 1989, 1391–1392. 346 II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, 26: AAS 58 (1966) 1046; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche,1905–1912;
Johannes XXIII., Enz. Mater et magistra: AAS 53 (1961) 417–421; Id., Enz. Pacem in terris: AAS 55 (1963) 272–273; Paul VI.,Enz. Octogesima adveniens, 46: AAS 63 (1971) 433–435. 347 Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 1912. 348 Vgl. Johannes XXIII., Enz. Pacem in terris: AAS 55 (1963) 272. 349 Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche,1907. 350 II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, 26: AAS 58 (1966) 1046–1047. 351 Vgl. Johannes XXIII., Enz. Mater et magistra: AAS 53 (1961) 421. 352 Vgl. Johannes XXIII., Enz. Mater et magistra: AAS 53 (1961) 417; Paul VI., Ap. Schr. Octogesima adveniens, 46: AAS 63 (1971) 433–435;
Katechismus der Katholischen Kirche,1913. 353 Der heilige Thomas von Aquin siedelt das „Erkennen der Wahrheit über Gott“ und das „Leben in Gesellschaft“ auf der höchsten und eigensten Ebene der „inclinationes
naturales“ des Menschen an (Summa theologiae, I-II, q. 94, a. 2: „Secundum igitur ordinem inclinationum naturalium est ordo praeceptorum legis naturae … Tertio modo
inest homini inclinatio ad bonum secundum naturam rationis, quae est sibi propria; sicut homo habet naturalem inclinationem ad hoc quod veritatem cognoscat de Deo, et ad hoc quod in societate vivat“). 354 Pius XI., Enz. Quadragesimo anno: AAS 23 (1931) 197. 355 Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 1910. 356 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, 74: AAS 58 (1966) 1095–1097; Johannes Paul II., Enz. Redemptor hominis, 17: AAS 71 (1979) 295–300. 357 Vgl. Leo XIII., Enz. Rerum novarum: Acta Leonis XIII, 11 (1892) 133–135; Pius XII., Rundfunkbotschaft zur 50-Jahrfeier des Rundschreibens „Rerum novarum“: AAS 33 (1941) 200. 358 Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche,1908. 359 Vgl. Johannes Paul II., Enz. Centesimus annus, 41: AAS 83 (1991) 843–845. 360 II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, 69: AAS 58 (1966) 1090. 361 Johannes Paul II., Enz. Centesimus annus, 31: AAS 83 (1991) 831. 362 Vgl. Pius XII., Rundfunkbotschaft zur 50-Jahrfeier des Rundschreibens „Rerum novarum“: AAS 33 (1941) 199–200. 363 Johannes Paul II., Enz. Laborem exercens, 19: AAS 73 (1981) 525. 364 Johannes Paul II., Enz. Sollicitudo rei socialis, 42: AAS 80 (1988) 573. 365 Pius XII., Rundfunkbotschaft zur 50-Jahrfeier des Rundschreibens „Rerum novarum“:AAS 33 (1941) 199. 366 Paul VI., Enz. Populorum progressio, 22: AAS 59 (1967) 268. 367 Kongregation für die Glaubenslehre, Instr. Libertatis conscientia, 90: AAS 79 (1987) 594. 368 Johannes Paul II., Enz. Centesimus annus, 31: AAS 83 (1991) 832. 369 II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, 71: AAS 58 (1966) 1092–1093; vgl. Leo XIII., Enz. Rerum novarum: Acta Leonis XIII, 11 (1892) 103–104;
Pius XII., Rundfunkbotschaft zur 50-Jahrfeier des Rundschreibens „Rerum novarum“: AAS 33 (1941) 199; Id., Rundfunkbotschaft (24. Dezember 1942): AAS 35 (1943) 17;
Id., Rundfunkbotschaft (1. September 1944): AAS 36 (1944) 253; Johannes XXIII., Enz. Mater et magistra: AAS 53 (1961) 428–429. 370 Vgl. Johannes Paul II., Enz. Centesimus annus, 6: AAS 83 (1991) 800–801. 371 Leo XIII., Enz. Rerum novarum: Acta Leonis XIII, 11 (1892) 102. 372 Johannes Paul II., Enz. Laborem exercens, 14: AAS 73 (1981) 613. 373 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, 69: AAS 58 (1966) 1090–1092; Katechismus der Katholischen Kirche, 2402–2406. 374 Leo XIII., Enz. Rerum novarum: Acta Leonis XIII, 11 (1892) 102. 375 Vgl. Paul VI., Enz. Populorum progressio, 22–23: AAS 59 (1967) 268–269. 376 Vgl. Johannes XXIII., Enz. Mater et magistra: AAS 53 (1961) 430–431; Johannes Paul II., Ansprache auf der Dritten Allgemeinen Konferenz der Lateinamerikanischen
Bischöfe, Puebla (28. Januar 1979), III/4: AAS 71 (1979) 199–201. 377 Vgl. Pius XI., Enz. Quadragesimo anno: AAS 23 (1931) 191–192. 193–194. 196–197. 378 II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, 69: AAS 58 (1966) 1090. 379 Johannes Paul II., Enz. Centesimus annus, 32: AAS 83 (1991) 832. 380 Johannes Paul II., Enz. Centesimus annus, 32: AAS 83 (1991) 837. 381 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, 69: AAS 58 (1966) 1090–1092. 382 Vgl. Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden, Für eine bessere Landverteilung. Die Herausforderung der Agrarreform (23. November 1997), 27–31, Sekretariat der
Deutschen Bischofskonferenz, Arbeitshilfen 140, S. 28–31. 383 Vgl. Johannes Paul II., Enz. Sollicitudo rei socialis, 27–34. 37: AAS 80 (1988) 547– 560. 563–564; Id., Enz. Centesimus annus, 41: AAS 83 (1991) 843–485. 384 Vgl. Johannes Paul II., Ansprache auf der Dritten Allgemeinen Konferenz der Lateinamerikanischen Bischöfe, Puebla (28. Januar 1979), I/8: AAS 71 (1979) 194–195. 385 Johannes Paul II., Enz. Sollicitudo rei socialis, 42: AAS 80 (1988) 572–573; vgl. Id., Enz. Evangelium vitae, 32: AAS 87 (1995) 436–437;
Id., Ap. Schr. Tertio millennio adveniente, 51: AAS 87 (1995) 36; Id., Ap. Schr. Novo millennio ineunte, 49–50: AAS 93 (2001) 302–303. 386 Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 2448. 387 Katechismus der Katholischen Kirche, 2443. 388 Katechismus der Katholischen Kirche, 1033. 389 Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 2444. 390 Katechismus der Katholischen Kirche, 2448. 391 Katechismus der Katholischen Kirche,2447. 392 Gregor der Große, Regula pastoralis, 3, 21: PL 77, 87: „Nam cum quaelibet necessaria indigentibus ministramus, sua illis reddimus, non nostra largimur; iustitiae poti-
us debitum soluimus, quam misericordiae opera implemus“. 393 II. Vatikanisches Konzil,Dekr. Apostolicam actuositatem, 8: AAS 58 (1966) 845; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 2446. 394 Katechismus der Katholischen Kirche, 2445. 395 Vgl. Leo XIII., Enz. Rerum novarum: Acta Leonis XIII, 11 (1892) 101–102. 123. 396 Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 1882. 397 Johannes Paul II., Enz. Sollicitudo rei socialis, 15: AAS 80 (1988) 529; vgl. Pius XI., Enz. Quadragesimo anno: AAS 23 (1931) 203;
Johannes XXIII., Enz. Mater et magistra: AAS 53 (1961) 439; II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, 65: AAS 58 (1966) 1086–1087;
Kongregation für die Glaubenslehre, Instr. Libertatis conscientia, 73. 85–86: AAS 79 (1987) 586. 592–593; Johannes Paul II., Enz. Centesimus annus, 48: AAS 83 (1991) 852–854;
Katechismus der Katholischen Kirche, 1883–1885. 398 Vgl. Johannes Paul II., Enz. Centesimus annus, 49: AAS 83 (1991) 854–856 und ebenso Id., Enz. Sollicitudo rei socialis, 15: AAS 80 (1988) 528–530. 399 Pius XI., Enz. Quadragesimo anno: AAS 23 (1931) 203; vgl. Johannes Paul II., Enz. Centesimus annus, 49: AAS 83 (1991) 852–854; Katechismus der Katholischen Kirche, 1883. 400 Johannes Paul II., Enz. Centesimus annus, 48: AAS 83 (1991) 854. 401 Vgl. Johannes Paul II., Enz. Centesimus annus, 48: AAS 83 (1991) 852–854. 402 Vgl. Paul VI., Enz. Octogesima adveniens, 22.46: AAS 63 (1971) 417. 433–435; Kongregation für das Katholische Bildungswesen , Leitlinien für das Studium und den
Unterricht der Soziallehre der Kirche in der Priesterausbildung, 40: Der Apostolische Stuhl 1989, 1389. 403 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, 75: AAS 58 (1966) 1097–1099. 404 Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 1913–1917. 405 Vgl. Johannes XXIII., Enz. Mater et magistra: AAS 53 (1961) 423–425; Johannes Paul II., Enz. Laborem exercens, 14: AAS 73 (1981) 612–616;
Id., Enz. Centesimus annus,35: AAS 83 (1991) 836–838. 406 Vgl. Johannes Paul II., Enz. Sollicitudo rei socialis, 44–45: AAS 80 (1988) 575–578. 407 Vgl. Johannes XXIII., Enz. Pacem in terris: AAS 55 (1963) 278. 408 Vgl. Johannes Paul II., Enz. Centesimus annus, 46: AAS 83 (1991) 850–851. 409 Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 1917. 410 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, 30–31: AAS 58 (1966) 1049–1050; Johannes Paul II., Enz. Centesimus annus, 47: AAS 83 (1991) 851–852. 411 Vgl. Johannes Paul II., Enz. Centesimus annus, 44–45: AAS 83 (1991) 848–849. 412 Vgl. Johannes Paul II., Enz. Sollicitudo rei socialis, 15: AAS 80 (1988) 528–530; vgl. Pius XII., Rundfunkbotschaft (24. Dezember 1952): AAS 45 (1953) 37;
Paul VI., Enz. Octogesima adveniens, 47: AAS 63 (1971) 435–437. 413 Die wechselseitige Abhängigkeit oder Interdependenz lässt sich mit dem klassischen Thema der Vergesellschaftung in Verbindung bringen, das von der kirchlichen Sozial-
lehre bereits mehrfach behandelt worden ist; vgl. Johannes XXIII., Enz. Mater et magistra: AAS 53 (1961) 415–417;
II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, 42: AAS 58 (1966) 1060–1061; Johannes Paul II., Enz. Laborem exercens,14–15: AAS 73 (1981) 612–618. 414 Vgl. Johannes Paul II., Enz. Sollicitudo rei socialis, 11–22: AAS 80 (1988) 525–540. 415 Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 1939–1941. 416 Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 1942. 417 Johannes Paul II., Enz. Sollicitudo rei socialis, 36.37: AAS 80 (1988) 561–564; vgl. Johannes Paul II., Ap. Schr. Reconciliatio et paenitentia,16: AAS 77 (1985)213–217. 418 Johannes Paul II., Enz. Sollicitudo rei socialis, 38: AAS 80 (1988) 565–566. 419 Johannes Paul II., Enz. Sollicitudo rei socialis, 38: AAS 80 (1988) 566. Vgl. außerdem: Johannes Paul II., Enz. Laborem exercens, 8: AAS 73 (1981) 594–598; Johannes Paul II., Enz. Centesimus annus, 57: AAS 83 (1991) 862–863. 420 Vgl. Johannes Paul II., Enz. Sollicitudo rei socialis, 17.39.45: AAS 80 (1988) 532–533. 566–568. 577–578. Auch die internationale Solidarität ist eine moralische Forderung;
der Weltfrieden hängt in hohem Maße von ihr ab: vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, 83–86: AAS 58 (1966) 1107–1110;
Paul VI., Enz. Populorum progressio, 48: AAS 59 (1967) 281; Päpstliche Kommission Iustitia et Pax, Im Dienste der menschlichen Gemeinschaft:
Ein ethischer Ansatz zur Überwindung der internationalen Schuldenkrise (27. Januar 1987), I, 1, Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Arbeitshilfen 50, S. 11;
Katechismus der Katholischen Kirche, 1941 und 2438. 421 Auch wenn der Begriff explizit noch nicht existiert, ist die Solidarität eines der Grundprinzipien der Enzyklika „Rerum novarum“ (vgl. Johannes XXIII., Enz. Mater et
magistra: AAS 53 [1961] 407). „Das Prinzip, das wir heute Solidaritätsprinzip nennen (…) wird von Leo XIII. mehrmals unter dem Namen »Freundschaft« angeführt, ein
Ausdruck, den wir schon in der griechischen Philosophie finden. Von Pius XI. wird es mit dem nicht weniger bedeutungsvollen Namen »soziale Liebe« bezeichnet. Paul VI.
hat den Begriff mit den heutigen vielfältigen Dimensionen der sozialen Frage erweitert und von »Zivilisation der Liebe« gesprochen“ (Johannes Paul II., Enz. Centesimus annus, 10: AAS 83 [1991] 805).
Die Solidarität ist eines der Grundprinzipien der gesamten kirchlichen Soziallehre (vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instr. Libertatis
conscientia, 73: AAS 79 [1987] 586). Seit Pius XII. (vgl. Enz. Summi Pontificatus:AAS 31 [1939] 426–427) wird der Begriff „Solidarität“ mit zunehmender Häufigkeit verwendet
und in seiner Bedeutung immer weiter gefasst: als „Gesetz“ in der genannten Enzyklika, später dann als „Prinzip“ (vgl. Johannes XXIII., Enz. Mater et magistra:AAS 53
[1961] 407), als „Pflicht“ (vgl. Paul VI., Enz. Populorum progressio, 17.48: AAS 59 [1967] 265–266. 281), als „Wert“ (vgl. Johannes Paul II., Enz. Sollicitudo rei socialis, 38: AAS
80 [1988] 564–566) und schließlich als „Tugend“ (vgl. Johannes Paul II., Enz. Sollicitudo rei socialis, 38.40: AAS 80 [1988] 564–566. 568–569). 422 Vgl. Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Leitlinien für das Studium und den Unterricht der Soziallehre der Kirche in der Priesterausbildung, 38: Der Apostolische Stuhl 1989, 1388. 423 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, 32: AAS 58 (1966) 1051. 424 Vgl. Johannes Paul II., Enz. Sollicitudo rei socialis, 40: AAS 80 (1988) 568: „Die Solidarität ist zweifellos eine christliche Tugend. Bereits in der vorangegangenen Darlegung war es möglich, zahlreiche Berührungspunkte zwischen ihr und der Liebe auszumachen, dem Erkennungszeichen der Jünger Christi (vgl. Joh 13, 35).“ 425 Johannes Paul II., Enz. Sollicitudo rei socialis, 40: AAS 80 (1988) 569. 426 Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 1886. 427 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, 26: AAS 58 (1966) 1046–1047; Johannes XXIII., Enz. Pacem in terris: AAS 55 (1963) 265–266. 428 Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Leitlinien für das Studium und den Unterricht der Soziallehre der Kirche in der Priesterausbildung, 43: Der Apostolische
Stuhl 1989, 1390. 429 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, 36: AAS 58 (1966) 1053–1054. 430 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, 1: AAS 58 (1966) 1025–1026; Paul VI., Enz. Populorum progressio,13: AAS 59 (1967)263–264. 431 Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche,2467. 432 Vgl. Johannes XXIII., Enz. Pacem in terris: AAS 55 (1963) 265–266. 281. 433 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, 61: AAS 58 (1966) 1081–1082; Paul VI., Enz. Populorum progressio, 35.40: AAS 59 (1967) 274–275. 277;
Johannes Paul II., Enz. Sollicitudo rei socialis, 44: AAS 80 (1988) 575–577. Für die Reform der Gesellschaft „ist die vorrangige Aufgabe, die den Erfolg aller anderen bedingt, (…) erzieherischer
Natur“: Kongregation für die Glaubenslehre, Instr. Libertatis conscientia, 99: AAS 79 (1987) 599. 434 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, 16: AAS 58 (1966) 1037; Katechismus der Katholischen Kirche,2464–2487. 435 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, 17: AAS 58 (1966) 1037–1038; Katechismus der Katholischen Kirche, 1705. 1730;
Kongregation für dieGlaubenslehre, Instr. Libertatis conscientia, 28: AAS 79 (1987) 565. 436 Katechismus der Katholischen Kirche, 1738. 437 Kongregation für die Glaubenslehre, Instr. Libertatis conscientia, 26: AAS 79 (1987) 564–565. 438 Johannes Paul II., Enz. Centesimus annus, 42: AAS 83 (1991) 846. Die Aussage betrifft hier die wirtschaftliche Initiative, es scheint aber korrekt,
sie auch auf die anderen Bereiche des persönlichen Handelns auszudehnen. 439 Vgl. Johannes Paul II., Enz. Centesimus annus, 17: AAS 83 (1991) 814–815. 440 Vgl. Johannes XXIII., Enz. Pacem in terris: AAS 55 (1963) 289–290. 441 Vgl. Thomas von Aquin, Summa theologiae,I-II, q. 6. 442 Katechismus der Katholischen Kirche, 1807; vgl. Thomas von Aquin, Summa theologiae, II-II, q. 58, a. 1: „iustitia est perpetua et
constans voluntas ius suum unicuique tribuendi“. 443 Vgl. Johannes XXIII., Enz. Pacem in terris: AAS 55 (1963) 282–283. 444 Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche 2411. 445 Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 1928–1942, 2425–2449, 2832; Pius XI., Enz. Divini Redemptoris: AAS 29 (1937) 92. 446 Vgl. Johannes Paul II., Enz. Laborem exercens, 2: AAS 73 (1981) 580–583. 447 Johannes Paul II., Enz. Sollicitudo rei socialis, 40: AAS 80 (1988) 568; Katechismus der Katholischen Kirche,1929. 448 Johannes Paul II., Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages 2004, 10: AAS 96 (2004) 121. 449 Johannes Paul II., Enz. Sollicitudo rei socialis, 39: AAS 80 (1988) 568. 450 Johannes Paul II., Enz. Sollicitudo rei socialis, 39: AAS 80 (1988) 568. 451 Vgl. Johannes XXIII., Enz. Pacem in terris: AAS 55 (1963) 265–266. 452 Johannes Paul II., Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages 2004, 10: AAS 96 (2004) 120. 453 Johannes Paul II., Enz. Dives in misericordia, 14: AAS 72 (1980) 1223. 454 Johannes Paul II., Enz. Dives in misericordia, 12: AAS 72 (1980) 1216. 455 Johannes Paul II., Enz. Dives in misericordia, 14: AAS 72 (1980) 1224; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 2212. 456 Thomas von Aquin, Summa theologiae, II-II, q. 23, a. 8; Katechismus der Katholischen Kirche, 1827. 457 Vgl. Paul VI., Ansprache am Sitz der FAO zum 25. Jahrestag der Institution (16. November 1970): Insegnamenti di Paolo VI,VIII (1970)1153.